Leitfaden
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7. August 2025
7. August 2025
7. August 2025

Ankern & Verlustaversion: Preisverhandlungen wissenschaftlich gewinnen

Ankern & Verlustaversion: Preisverhandlungen wissenschaftlich gewinnen

Preisverhandlung mit Waage und Anker; Mentor erklärt wie man Ankereffekt und Verlustaversion einsetzt, um besser zu verkaufen.

Preisverhandlungen sind oft der Härtetest im Vertrieb – ob du nun einen Immobilienpreis aushandelst, einen Stromliefervertrag für ein Gewerbe verkaufst oder einem Kunden eine komplexe Finanzlösung anbietest. Zwei psychologische Phänomene helfen dir dabei, in solchen Verhandlungen das Optimum herauszuholen: der Ankereffekt und die Verlustaversion. Beide sind gut erforscht und lassen sich gezielt einsetzen, um bessere Konditionen zu erzielen.

Der Ankereffekt: Die Macht des ersten Angebots

Der Anker ist das erste konkrete Angebot, das im Raum steht – und es hat eine enorme Zugkraft. Wie ein tatsächlicher Schiffsanker das Schiff am Platz hält, zieht ein früher Preisvorschlag den nachfolgenden Verhandlungsverlauf unbewusst in seine Nähe. Psychologen haben gezeigt: Wer als Erster einen ambitionierten (d.h. hohen bzw. für dich vorteilhaften) Preis nennt, verschiebt den Bezugsrahmen. Dein Verhandlungspartner richtet seinen Gegenvorschlag automatisch an dieser Zahl aus.

Tipp 1: Zögere nicht, selbst den ersten Preis zu nennen, sofern du den Wert deines Angebots gut einschätzen kannst. So nimmst du das Heft in die Hand.

Tipp 2: Setze den Anker hoch an – aber nicht lächerlich hoch. Ein unrealistisch extremes Angebot kann als Affront empfunden werden und das Gespräch scheitern lassen. Wähle einen Startpreis, der über deinem eigentlichen Ziel liegt, aber noch begründbar ist.

Tipp 3: Sei präzise. Studien zeigen, dass präzise Preisanker glaubwürdiger wirken als glatte Zahlen: Ein Vorschlag von 4.950 € erzielt oft bessere Ergebnisse als „rund“ 5.000 €, weil er weniger willkürlich erscheint. Eine interessante Taktik ist auch der Phantom-Anker: Du kombinierst dein Angebot mit einer noch extremeren Zahl, die du sofort relativierst („Eigentlich hätte ich 6.000 € gesagt, aber ich komme Ihnen entgegen auf 5.000 €“). Dadurch suggerierst du dem Kunden bereits ein Entgegenkommen.

Tipp 4: Kontere fremde Anker sofort. Wenn der Kunde überraschend zuerst einen Preis nennt (z. B. „Wir hatten maximal 300.000 € eingeplant“), solltest du umgehend mit deinem vorbereiteten Gegenangebot antworten. So verhinderst du, dass du komplett im Preisgebiet des Kunden verhandeln musst.

Der Ankereffekt ist also ein mächtiges Werkzeug, erfordert aber Vorbereitung und Fingerspitzengefühl. Wichtig ist, dass du deinen hohen Einstiegspreis sachlich begründen kannst – etwa durch Qualität, Service oder Marktvergleich. Damit lieferst du gleich die Rechtfertigung mit, warum dein Angebot seinen Preis wert ist.

Verlustaversion: Verluste vermeiden, Gewinne einstreichen

Die Verlustaversion besagt, dass Menschen Verluste stärker schmerzen als gleich große Gewinne erfreuen. Anders formuliert: Der Ärger über 100 € Verlust ist größer als die Freude über 100 € Gewinn. In Verhandlungen führt dieses Prinzip dazu, dass dein Gegenüber Zugeständnisse eher akzeptiert, wenn er sie als entgangenen Gewinn sieht statt als Verlust. Wissenschaftlich untermauert: Verhandlungspartner zeigen mehr Entgegenkommen, wenn sie darauf fokussiert sind, was sie durch einen Deal gewinnen, statt darauf, was sie verlieren. Der Grund ist die erwähnte Verlustaversion: Ein kleines Nachgeben tut weniger weh, wenn man es als geringeren Gewinn verbucht, als wenn man es als vergrößerten Verlust empfindet.

Statt nur den potenziellen Gewinn zu betonen, zeigst du dem Kunden, was er verlieren könnte, wenn er sich nicht für deine Lösung entscheidet.

Beispiel:
Statt zu sagen:
„Mit unserem System sparen Sie jährlich bis zu 1.000 €“
Sag lieber:
„Ohne unsere Lösung verlieren Sie jedes Jahr rund 1.000 €, die Sie unnötig an Energiekosten zahlen.“

Die Aussage ist inhaltlich gleich – aber psychologisch viel wirksamer, weil Menschen Verluste stärker empfinden als gleich hohe Gewinne.

Auch im Angebot selbst kannst du das nutzen. Ein Satz wie „Wenn Sie heute buchen, sichern Sie sich nicht nur den aktuellen Preis – Sie erhalten außerdem Service X kostenlos dazu. Morgen könnte das weg sein.“ erzeugt Handlungsdruck durch drohenden Verlust statt bloßem „Nice to have“.

So fühlt sich dein Angebot nicht wie eine Forderung an, sondern wie eine Chance, die man ungern verstreichen lässt.

Gerade in emotional geprägten Branchen – etwa Immobilienkauf oder Finanzierungsberatungen – wollen Käufer das Gefühl haben, einen guten Deal zu machen und nichts zu verlieren. Nutze das, indem du mögliche Risiken proaktiv minimierst (Garantien, kostenlose Probemonate, Referenzen zufriedener Kunden) und den sicheren Nutzen herausstellst. Weitere Einblicke in die Besonderheiten der Branche finden Sie im Blog „Erfolgreich verkaufen in den Bereichen Energie, Immobilien und Finanzen: Was Vertriebsmitarbeiter heute wirklich brauchen“. Kein Kunde will einen Fehler machen und Geld verlieren. Zeige ihm, dass er mit deiner Lösung eigentlich auf der Gewinnerseite ist. Gerade wenn mehrere Personen in der Entscheidung involviert sind, verstärkt sich dieser Effekt – kein Beteiligter möchte vor den anderen als derjenige dastehen, der einen Verlust eingefahren hat (siehe Versteckte Entscheidungsträger im Verkaufsprozess Erkennen und Überzeugen).

Verhandlungserfolg durch Psychologie und Übung

Fazit: Wer die Prinzipien von Anker und Verlustaversion beherrscht, hat einen klaren Vorteil in Preisverhandlungen. Du kannst damit Preise selbstbewusster durchsetzen und gleichzeitig dem Kunden ein gutes Gefühl geben. Natürlich ersetzt keine Technik eine ehrliche Preis-Leistungs-Argumentation – aber sie untermauert sie psychologisch geschickt.

Denke daran, dass nach der Verhandlung oft noch nicht Schluss ist. Falls dein Verhandlungspartner trotz aller Technik zögert oder „eine Nacht darüber schlafen“ will, beginnt die Arbeit erst: Bleib dran und vereinbare ein Follow-up (siehe Follow-Up Strategie: 7-Touch-Strategie Ohne Nervfaktor), um den Deal nicht kalt werden zu lassen. Und wenn ein Kunde schlicht „zu teuer!“ ruft, geht es in die Einwandbehandlung über (mehr dazu in Die 5 häufigsten Einwände und KI-Strategien dagegen). Dort kannst du mit zusätzlichem Wert, Storytelling (siehe Storytelling bei komplexen Angeboten: Technik verständlich verkaufen) oder flexiblen Angeboten gegensteuern.

Die gute Nachricht: All das lässt sich trainieren. In modernen Vertriebsschulungen simuliert man solche Preisverhandlungen in Rollenspielen, teils sogar mit KI-Unterstützung. So wirst du sicherer im Umgang mit typischen Verhandlungstricks – und steigert am Ende deine Erfolgschancen im echten Kundengespräch erheblich.

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